Abschied in tiefer Trauer – gemeinsames Gedenken an die verstorbene Eisenacher Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin

In tiefer Trauer haben heute (Sonntag, 22. Oktober) Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und Professor Dr.-Ing. habil. Reinhard Schramm (Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen) von der verstorbenen Eisenacher Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin Abschied genommen. Sie trugen bewegende Worte in das Kondolenzbuch ein.

 

„Nach dem, was sie erlebt hat, war und ist es nicht selbstverständlich hierher zurück zu kommen und für Versöhnung und Dialog zu werben. Ihre menschliche Größe und herzliche Wärme haben die Eisenacherinnen und Eisenacher tief beeindruckt. Ihre Botschaft ist angekommen, tiefe Freundschaften sind entstanden“, schrieb Katja Wolf in das Buch. Die Oberbürgermeisterin hatte der 1923 in Eisenach geborenen Avital Ben-Chorin 2012 persönlich die Ehrenbürgerwürde verliehen und war schon damals beeindruckt von ihrer Persönlichkeit. „Wir werden sie sehr vermissen und ihr Andenken in Ehren bewahren. Ihre Besuche bei uns waren emotionale und gedanklich besondere Begegnungen, die wir nie vergessen werden“, so Katja Wolf.

 

Als eine „gute Freundin“ und „wunderbare Botschafterin Thüringens in Israel“ wird Ministerpräsident Bodo Ramelow Avital Ben-Chorin in Erinnerung behalten. „Mit Avital Ben-Chorin ist eine große Persönlichkeit von uns gegangen, deren Leben ganz im Zeichen der Versöhnung stand. Am eigenen Leib musste sie schmerzvoll erfahren, wie Hass gegen jüdische Mitmenschen sie aus Deutschland vertrieb. Diesem Hass setzte sie nachhaltig ihre Güte und ihre Ideen einer Aussöhnung zwischen Israelis und Deutschen, Juden und Christen entgegen. Ihr Denken und Handeln bestimmte eine tiefe und vom Herzen kommende Mitmenschlichkeit, mit der sie beständig Grenzen überwand, um Brücken zu bauen“, so ein Auszug aus Ramelows Eintrag im Kondolenzbuch. „Ich nehme in tiefer Trauer Abschied von dieser großen Persönlichkeit“ sagte der Ministerpräsident.

 

Stellvertretend für die Jüdische Landesgemeinde Thüringen nahm deren Vorstandsvorsitzender Professor Dr.-Ing. habil. Reinhard Schramm Abschied. „Avital verlor 1936 ihre geliebte Thüringer Heimat, aber sie rettete ihre Würde und ihr Leben. Ihre Verwandten wurden ermordet. Dennoch setzte sich Avital nach dem Holcaust mit ganzer Kraft und voller Hoffnung für eine Versöhnung mit Deutschland ein. Wesentlicher Schwerpunkt wurde der israelisch-deutsche Jugendaustausch. In Eisenach bleibt Avitals Engagement unvergessen. Sie unterstützte seit 1986 - also bereits zu DDR-Zeiten - das Streben nach Toleranz in der Stadt“ schrieb Schramm. „Mit Stolz behalten wir das Andenken an die optimistische und lebensbejahende Avital Ben-Chorin in unseren Herzen.“

 

Avital Ben-Chorin

Als Tochter von Alfred und Herta Fackenheim wurde Avital, damals Erika, 1923 in Eisenach geboren. Ihr Großvater war der in der ganzen Region beliebte und geachtete Arzt Dr. Julius Fackenheim. Erika war 13, als sie 1936 Deutschland aufgrund der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung verließ. Im damaligen Palästina, dem späteren Israel, fand sie eine neue Heimat. Und doch blieb sie, die seit 1943 mit dem großen jüdischen Religionsphilosophen Schalom Ben-Chorin verheiratet war, Eisenach immer verbunden. Getragen von dem Geist einer christlich-jüdischen Verständigung besuchte sie 1986 mit ihrem Mann auf Einladung der Kirche erstmals wieder Eisenach. Es war eine Begegnung, die ihr nicht leicht fiel. Immer wieder bewegte sie damals beim Anblick älterer Eisenacher die Frage, ob und inwieweit dieser oder jener vielleicht in die Judenverfolgung damals verstrickt gewesen sein könnte. Die Erinnerung an jenen Lehrer, der sie an der damaligen Charlottenschule mit nahezu pathologischem Hass verfolgt hatte und dem sie 1936 entfloh, saß tief. Und dennoch kehrte sie nach 1986 immer wieder in ihre alte Heimat zurück. Dabei spielte ihre feste Überzeugung eine Rolle, dass man die Enkel nicht für die Taten der Großväter verantwortlich machen könne. Sie hoffte im Hinblick auf die notwendige Aussöhnung auf die junge Generation. So überrascht es nicht, dass sie später eine besondere Beziehung zu den Schülern und Lehrern ihrer früheren Schule, der heutigen Goetheschule, pflegte.

 

Ihre Besuche in Eisenach waren für alle Beteiligten immer besondere Begegnungen, sei es zu den Eisenacher jüdischen Begegnungswochen 1995, 1999 und 2001, zu den Gedenkveranstaltungen am 9. November, zu Veranstaltungen der Goetheschule oder zu öffentlichen Vorträgen. Ihre Beziehung zur Wartburgstadt war aber auch getragen von ihrer Jahrzehnte andauernden Jugendfreundschaft mit der Eisenacherin Christa Jordan, verheiratete Schill. Ein ganz besonderer Moment war es, als ihr die Wartburgstadt am 11. August 2012 die Ehrenbürgerwürde verlieh; sie war die erste nach fast 50 Jahren, der diese Ehre zuteilwurde. „Trotz leidvoller Erfahrungen hat sie stets den Gedanken der Versöhnung und der Partnerschaft von Israelis und Deutschen, von Juden und Christen gepflegt“, begründete seinerzeit Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf die hohe Auszeichnung. Durch diese zutiefst humanistische Haltung hat Avital Ben-Chorin über drei Jahrzehnte hinweg auch die Menschen in ihrer Geburtsstadt Eisenach geprägt. Die so Geehrte erwiderte anlässlich der Verleihung des Ehrentitels: „Mit mir stehen alle Eisenacher Juden hier, die Geschundenen und Gemordeten, auch für sie nehme sie stellvertretend die Auszeichnung entgegen. Sie sei dankbar, überlebt zu haben und zur Versöhnung beitragen zu können.“ Nun ist die große Vermittlerin zwischen den Religionen, zwischen den Generationen zwischen den Nationen gestorben. Eisenach wird ihr Andenken in Ehren bewahren.

 

Oberbürgermeisterin Katja Wolf:


Avital Ben-Chorin wurde 1923 in Eisenach als Erika Fackenheim geboren. Sie hat in Eisenach die Verfolgung der Juden am eigenen Leib erfahren und ist 1936 ohne ihre Eltern, im Alter von 13 Jahren, von hier geflohen. Ihre Familie hat sie während des Holocaust verloren. Nach dem, was sie erlebt hat, war und ist es nicht selbstverständlich hierher zurück zu kommen und für Versöhnung und Dialog zu werben. Ihre menschliche Größe und herzliche Wärme haben die Eisenacherinnen und Eisenacher tief beeindruckt. Ihre Botschaft ist angekommen, tiefe Freundschaften sind entstanden. Junge Menschen wurden durch sie ermutigt, sich mit den Gräueln des Holocaust zu beschäftigen und zu lernen, dass es Vergebung geben kann, wenn man sich der Verantwortung stellt. Mit Avital Ben-Chorin verliert Eisenach eine Ehrenbürgerin, der viel genommen worden ist, und die uns so viel gegeben hat. Wir werden sie sehr vermissen.

 

Eintrag Ministerpräsident Bodo Ramelow:

Mit Avital Ben-Chorin ist eine große Persönlichkeit von uns gegangen, deren Leben ganz im Zeichen der Versöhnung stand. Am eigenen Leib musste sie schmerzvoll erfahren, wie Hass gegen jüdische Mitmenschen sie aus Deutschland vertrieb. Diesem Hass setzte sie nachhaltig ihre Güte und ihre Ideen einer Aussöhnung zwischen Israelis und Deutschen, Juden und Christen entgegen. Ihr Denken und Handeln bestimmte eine tiefe und vom Herzen kommende Mitmenschlichkeit, mit der sie beständig Grenzen überwand, um Brücken zu bauen. Sie leistete bedeutende Pionierarbeit im israelisch-deutschen Jugendaustausch. Der Freistaat Thüringen hat Avital Ben-Chorin viel zu verdanken. Sie war eine gute Freundin und wunderbare Botschafterin Thüringens in Israel. Ich nehme in tiefer Trauer Abschied von dieser großen Persönlichkeit.

 

Eintrag Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Schramm:

Der Tod der Eisenacher Ehrenbürgerin Avital Ben-Chorin am 6. Oktober 2017 in Israel bewegt die Jüdische Landesgemeinde Thüringen mit tiefer Trauer. Während ihre Großeltern aus Mühlhausen stammten, kam Avital als Erika Fackenheim 1923 in Eisenach zur Welt. Avital verlor 1936 ihre geliebte Thüringer Heimat, aber sie rettete ihre Würde und ihr Leben. Ihre Verwandten wurden ermordet. Dennoch setzte sich Avital nach dem Holcaust mit ganzer Kraft und voller Hoffnung für eine Versöhnung mit Deutschland ein. Wesentlicher Schwerpunkt wurde der israelisch-deutsche Jugendaustausch. In Eisenach bleibt Avitals Engagement unvergessen. Sie unterstützte seit 1986 - also bereits zu DDR-Zeiten - das Streben nach Toleranz in der Stadt. Sie wurde begleitet von ihrem Mann Schalom Ben-Chorin, der mit Vorträgen und seinem Buch „Von Antlitz zu Antlitz“ Teil ihres Engagements in Thüringen wurde. Noch 2012 feierten wir in der Erfurter Synagoge mit Avital und ihrem Sohn, dem Rabbiner Tovia Ben-Chorin. Mit Stolz behalten wir das Andenken an die optimistische und lebensbejahende Avital Ben-Chorin in unseren Herzen. Im Namen der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen