Der berühmte Märchendichter Hans Christian Andersen war einst auch bei Fritz Reuter in Eisenach zu Gast

Der berühmte Märchendichter Hans Christian Andersen war einst auch bei Fritz Reuter in Eisenach zu Gast

In diesem Jahr wird weltweit der 200. Geburtstag des dänischen Märchendichters Hans Christian Andersen gefeiert. Andersen war einst auch in Eisenach zu Gast – 1873 besuchte er seinen Schriftstellerkollegen Fritz Reuter am Fuße der Wartburg. Andersens Beziehungen zu Eisenach wurden nun erstmals eingehender erforscht.

Viele Reisen Hans Christian Andersens führten ihn nach Deutschland und oft war er auch in Thüringen. Die Residenzstadt Weimar gehörte zu seinen liebsten Orten in Deutschland. Großherzog Carl Alexander war sein hochverehrter Freund. Der Großherzog sah den berühmten dänischen Märchenerzähler als „den neuen Goethe".
Weniger bekannt ist, daß Andersen auch Eisenach besucht hat. Im Sommer 1873 war er bei seinem niederdeutschen Schriftstellerkollegen Fritz Reuter zu Gast – in dessen Neorenaissance-Villa am Fuße der Wartburg. Diese Villa beherbergt heute das Reuter-Wagner-Museum, das wiederum zum Thüringer Museum Eisenach gehört. Reuter wurde wie auch Andersen im 19. Jahrhundert bewundert, geehrt und von Millionen gelesen.
Belegt ist der Besuch in Eisenach durch einen Eintrag im Gästebuch der Villa und durch Andersens Visitenkarte, die er hinterließ. „Das Leben ist das schönste Märchen" schrieb Andersen in Reuters Gästebuch.

In der Biographie des Märchendichters („Meines Lebens Märchen") erinnert er sich ausführlich an einen weiteren Aufenthalt in Eisenach, bereits im Sommer 1854 (siehe dazu beiliegenden Auszug aus der Andersen-Biografie). Er erwähnt auch immer wieder Weimar und Franz Liszt, der wiederum mit Richard Wagner innerlich eng verbunden war. So ist Christian Andersen ein verbindendes Glied zwischen Reuter, Liszt und Richard Wagner – und da die zweitgrößte Richard-Wagner-Sammlung der Welt in der Eisenacher Reuter-Villa zu bestaunen ist, schließt sich hier ein Kreis.
Es gibt noch eine „geistige" Verbindung zwischen Andersen und Reuter: Der im 19. Jahrhundert sehr bekannte Hamburger Maler Otto Speckter illustrierte Reuters Werk „Hanne Nüte". Jahre vorher hatte Speckter „Das hässliche Entlein" von H.C. Andersen illustriert. Es ist nicht auszuschließen, dass Speckter den Kontakt zwischen seinen beiden „Kunden" Andersen und Reuter herstellte.
Möglich ist auch, daß Großherzog Carl Alexander die beiden Dichter zusammenführte. Er war jedenfalls mit beiden persönlich bekannt. Ein Besuch Andersens auf der Wartburg ist nicht belegt.

Am 8. Mai, zum Internationalen Museumstag erinnert Eisenach in der Villa von Fritz Reuter an den 200. Geburtstag von Hans Christian Andersen. Unter dem Titel „Das Leben ist das schönste Märchen - Eine Märchenreise durch Thüringen" gibt es dann ein literarisch- musikalisches Programm.

Der Märchendichter Hans Christian Andersen wurde am 2. April 1805 im dänischen Norden, in Odense geboren. Mit 14 zog es ihn nach Kopenhagen. Dank der Unterstützung von Gönnern und mit Stipendien konnte er sich seit seinem 24. Lebensjahr ganz dem Schreiben widmen. Sein erster Roman – „Der Improvisator" – erschien 1835 und machte ihn bekannt. Zur gleichen Zeit begann Andersen, Märchen zu schreiben. Dieses Genre begründete seinen Weltruhm, öffnete seinen Büchern die Türen der Kinderzimmer und ihm selbst die der Fürstenhöfe und bedeutenden Zeitgenossen wie Adalbert von Chamisso, Charles Dickens, Heinrich Heine, Victor Hugo oder auch Fritz Reuter.
Bereits mit 14 hatte er davon geträumt, berühmt zu werden. Dieser Traum wurde erfüllt.

„Es macht nichts, in einem Entenhof geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat", schreibt Hans Christian Andersen in seinem Märchen vom hässlichen Entlein. Dies ist eine Anspielung auf seine Biographie. So, wie sich das Entlein in einen stolzen Schwan verwandelt, so wurde im richtigen Leben aus dem dänischen Schustersohn ein berühmter Dichter, der auch sang, tanzte und schauspielerte.
In seiner Autobiographie „Meines Lebens Märchen" (1855) stilisierte Hans Christian Andersen die märchenhaften Züge seines Werdeganges zu einem durchgängig prägenden Prinzip. Sie beginnt mit dem Satz: "Mein Leben ist ein hübsches Märchen, reich und überaus glücklich".
Wie in jedem Märchen lauerten hinter dem Lebensglück aber auch allerlei Tücken. Er fand nie seine große Liebe, war ein Hypochonder und litt an Depressionen. Bei jeder missbilligenden Äußerung bekam er Fieber. Hinzu kam sein auffälliges Äußeres. Friedrich Hebbel schrieb in sein Tagebuch am 15. Januar 1843 über Andersen: „Eine lange, schlottrige, lemurenhaft-eingeknickte Gestalt mit einem ausnehmend hässliche Gesicht."
Zehntausende, darunter gekrönte Häupter folgten seinem Sarg, als er am 4. August 1875 in Kopenhagen starb.

Hans Christian Andersen ist bis heute einer der meist übersetzten und beliebtesten Autoren weltweit. Er war Romanautor und vor allem begeisterter Reiseschriftsteller, aber es waren die Märchen, die ihm zu Weltgeltung verhalfen. Sie wurden in über 150 Sprachen übersetzt. Sie stehen für universelle Werte und sprechen alle Menschen an - unabhängig von ihrem Alter, ihrer Herkunft, ihrem Glauben und ihrer politischen und kulturellen Orientierung.
"Die Schneekönigin", „Der Schweinehirt", „Die Prinzessin auf der Erbse" „Der standhafte Zinnsoldat" oder „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen" - Generationen von Kindern begegneten in seinen Märchen zum ersten Mal der Poesie und wurden in ihrem Verständnis dessen, was Literatur ist, durch Andersen geprägt.
Aus heutiger Sicht sieht Johan de Mylius, der Leiter des Christian Andersen-Zentrums an der Universität in Odense, dieses Phänomen kritisch: „Man liest Andersen vor, aber man liest nicht Andersen", fasst er den Stand der Rezeptionsgeschichte zusammen. Für den Forscher haben die Andersen--Feierlichkeiten im Jahre 2005 „nur in einem bescheidenem Ausmaß einen Hintergrund in einem wirklichen lebendigen und auch forschungskräftigen Andersen-Interesse".


Anlagen:
Auszug aus der Andersen-Biografie – Schilderung seines Aufenthaltes in Eisenach 1854.
Fotos Gästebucheintrag/Visitenkarte; Illustration zu „Das hässliche Entlein" von Paul Hey

Hans Christian Andersen in Eisenach (52,39 KB)