HISTORISCHE INSCHRIFTEN VON EISENACH

Dr. Andreas Dietmann von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften hat gestern, 5, Dezember, in Eisenach das Forschungsprojekt "Die Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit" vorgestellt. Der promovierte Historiker forscht aktuell an einer Sammlung und Edition der Inschriften der Stadt Eisenach und der Wartburg bis 1650.

 

Dazu hatte er im Vorfeld mit dem Hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt Eisenach, Ingo Wachtmeister, Kontakt aufgenommen. Beide hatten sich in Eisenach bei der Buchvorstellung "Luther auf der Wartburg“ kennengelernt.

 

Dr. Dietmann ist im Rahmen seines Forschungs- und Editionsprojektes auf die Mithilfe der Einwohnerinnen und Einwohner angewiesen und hatte daher die Stadt um Unterstützung gebeten. Häufig ist es so, dass viele historische Inschriften nicht öffentlich zugänglich sind. „Wir möchten daher die Menschen aufrufen, an verborgenen Orten, auf Höfen, an historischen Hintergebäuden, in Kellern nach Inschriften Ausschau zu halten und Funde gegebenenfalls zu melden und den Bearbeitenden einen Zugang zu ermöglichen“, erklären Dr. Andreas Dietmann und Ingo Wachtmeister.

 

Inschriften authentisches Zeugnis vergangener Jahrhunderte

 

Die Stadtbibliothek wurde für diesen Termin ausgewählt, da sich hier historische Inschriften befinden. Meistens sind historische Inschriften Grabinschriften. Dies ist in der Eisenacher Bibliothek nicht der Fall. Die Inschriften in der Bibliothek wurden nach dem Geschmack der hier lebenden Menschen in ihrem Wohnumfeld angebracht und bieten dadurch ein besonders authentisches Zeugnis vergangener Jahrhunderte. In einer Ecke des ehemaligen Hellgrevenhofes, heute Stadtbibliothek, sind zwei Hirsche abgebildet. Ebenso befinden sich auf einer Wand Fragmente eines Bibel-Psalms. „Dies ist eine Selbstdarstellung der einst hier lebenden Menschen. Sozusagen das Social-Media der früheren Jahrhunderte. Zweifellos sind bereits viele Menschen an diesen Inschriften vorbeigekommen und haben sich vielleicht gefragt, worum es sich dabei handelt - oder haben sie nicht weiter beachtet“, so der Historiker.

 

Als Inschrift wird jede Art von Text verstanden, der auf verschiedenen Materialien wie Stein, Holz, Metall, Glas, Textilien mit einer handwerklichen Technik hergestellt wurde, die nicht dem Schreibschul- und Kanzleibetrieb entstammt. Kurz gesagt kann dies jeder Text sein, der nicht mit Feder und Tinte auf Papier geschrieben oder mit Lettern gedruckt wurde.

 

Schriftenreihe umfasst mehr als 100 Bände

 

Das traditionsreiche Forschungsprojekt "Die Deutschen Inschriften" wurde in den frühen 1930er Jahren ins Leben gerufen, um neben den antiken auch die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften ins Licht der Forschung zu rücken. Ziel ist es, die Inschriften des deutschen Sprachraumes in kleinen Bearbeitungseinheiten – meist einer Stadt oder eines Landkreises – zu sammeln und wissenschaftlich herauszugeben. Am Ende entsteht steht ein Buch mit einem möglichst vollständigen Katalog aller im Original und auch abschriftlich überlieferter Inschriften des Bearbeitungsraumes. Die projekteigene Schriftenreihe, in der die Ergebnisse publiziert werden, umfasst inzwischen über 100 Bände.

 

Hintergrund

 

Der thüringische Raum ist bei der Arbeit des Forschungsprojektes leider lange unberücksichtigt geblieben. Erst 2020 wurde an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, die auch für Thüringen zuständig ist, eine neue Arbeitsstelle für den Freistaat gegründet (mit Sitz in Jena). Die Bearbeitung der Inschriften der Stadt Eisenach und der Wartburg ist das erste hier in Angriff genommene Projekt.

 

Die Inschriften sind heute in erster Linie wertvolle historische Quellen für mehrere Wissenschaftsdisziplinen. Darüber hinaus gehören sie aber auch zum kulturellen Erbe einer jeden Ortschaft und formen die historische Identität einer Gesellschaft mit. Obwohl sie sich häufig auf vermeintlich dauerhaftem Material befinden, sind auch sie in ihrem Bestand gefährdet und stehen vielfach kurz vor dem Verlust. Die Reihe der Grabmäler am Storchenturm in Eisenach gibt dafür ein eindrückliches Beispiel. Die Arbeit des Forschungsprojektes dient somit dem Erhalt und der Bewahrung der historischen Kultur.

 

Dr. Andreas Dietmann ist Wahlthüringer seit 2006. In der Zeit von 2006 bis 2012 absolvierte er ein Studium der Mittelalterlichen Geschichte, Alten Geschichte und Kunstgeschichte in Jena mit Magisterabschluss. 2013 bis 2017 war er Mitarbeiter und Doktorand in dem anlässlich des Reformationsjubiläums gegründeten Forschungsprojekt "Thüringen im Jahrhundert der Reformation" in Jena. Seit 2018 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in dem Forschungs- und Editionsprojekt "Die Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit", seit 2020 Leiter der neu gegründeten thüringischen Arbeitsstelle dieses Projektes.